Alltag und Lebensweise
Häuser der Wikinger – Bauweise, Materialien, Innenleben
Die Häuser der Wikinger waren schlichte, aber zweckmäßige Bauten – sie boten Schutz vor Wind, Kälte und Regen und bildeten das Zentrum des familiären Lebens. Ihr Aussehen erinnerte an langgestreckte Hallen oder an den Rumpf eines umgedrehten Bootes – ein Hinweis auf die seefahrerische Kultur der Nordleute.
Solche Langhäuser konnten bis zu 50 Meter lang, aber nur etwa 5 Meter breit sein. In ihnen lebten Familie, Knechte und Tiere unter einem Dach. Ein Teil des Hauses war für das Wohnen und Schlafen bestimmt, der andere diente als Stall oder Vorratsraum. Nicht alle Häuser sahen gleich aus – sie wurden stets an Region und Klima angepasst.
In waldreichen Gebieten Skandinaviens bestanden die Häuser meist aus Holz, das in Pfostenbauweise errichtet wurde. Dort, wo Holz knapp war – etwa auf den Shetland- und Orkneyinseln, in Island oder Grönland –, verwendete man Stein, Torf und Grassoden. Besonders in Island bestanden die Häuser oft aus dicken Torfwänden, die hervorragenden Wärmeschutz boten.
Die Dächer waren mit Torf, Rasen oder Stroh gedeckt und reichten bis fast zum Boden hinab, um den Wind abzuhalten. Fenster gab es kaum – das Licht drang meist nur durch die Türöffnung oder eine kleine Rauchluke über der Feuerstelle.
Das Herz des Hauses war der langgestreckte Hauptraum, in dem geschlafen, gearbeitet, gegessen und gekocht wurde. In der Mitte befand sich eine offene Feuerstelle, die Wärme und Licht spendete. Der Rauch zog durch eine Öffnung im Dach ab, doch die Luft im Inneren war oft dunkel und verrußt.
Die Einrichtung war einfach: Tische, Hocker, Truhen und Betten aus Holz bildeten die Grundausstattung. Das Koch- und Essgeschirr bestand aus Ton, Holz oder Eisen. In wohlhabenderen Haushalten kamen auch Bronzegefäße oder importierte Keramiken vor.
In diesen Langhäusern spielte sich das gesamte Familienleben ab – hier wurde gekocht, gearbeitet, gesponnen, erzählt und gefeiert. Sie waren Wohnhaus, Werkstatt und Versammlungsort zugleich – der Mittelpunkt des täglichen Lebens in einer rauen, aber gemeinschaftlich geprägten Welt.
Kleidung der Wikinger – Stoffe, Farben, Unterschiede
In erster Linie war den Wikingern wichtig, dass ihre Kleidung bequem war und warm hielt. In den rauen nordischen Klimazonen trug man Kleidung in Schichten, um sich je nach Witterung anpassen zu können.
Zwischen Arm und Reich gab es keine großen Unterschiede in der Form, wohl aber in der Qualität der Stoffe und Verzierungen. Wohlhabende trugen fein gewebte, teils importierte Stoffe und schmückten sich mit Borten, Stickereien oder eingewebten Silber- und Goldfäden.
Männer trugen im Winter lange Hosen oder Kniehosen, darüber eine Tunika und meist einen Umhang, mit Fibel/Spange auf der Schulter. Frauen trugen ein Unterkleid aus Leinen und darüber ein Schürzenkleid oder eine Über-Tunika, oft mit kunstvoll gearbeiteten Spangen befestigt.
Als Kopfbedeckung dienten Stirnbänder oder Hauben aus Leinen; Männer trugen häufig Wollmützen, teils mit Pelz. Beide Geschlechter wärmten sich mit Umhängen oder Mänteln aus schwerer Wolle.
Schuhe bestanden meist aus Ziegenleder, mit hölzernen Sohlen oder verstärkten Lederböden. Männer trugen oft Stiefel bis zum Knöchel oder zur Wade.
Typische Stoffe waren Wolle und dicht gewebtes Leinen. Beliebt waren karierte, geometrische und tierische Muster; gefärbt wurde mit pflanzlichen Farbstoffen in Braun, Rot, Blau, Grün.
Regional fanden sich Einflüsse etwa fränkischer oder byzantinischer Moden. Frauen trugen Perlenketten; Männer und Frauen Armreifen oder Fibeln, je nach Region unterschiedlich gestaltet.
Funde belegen, dass die Wikinger gepflegt waren: Kämme, Pinzetten, Rasiermesser sind häufig. Zeitgenössische Berichte erwähnen Augenschminke, regelmäßiges Baden und gepflegtes Haar.
Schmuck der Wikinger – Rang, Kunst, Symbolik
Schmuck war mehr als Zierde – er war Zeichen von Reichtum, Rang und Identität. Gold, Silber und Bronze galten als sichtbare Symbole von Macht und Ansehen.
Archäologische Funde zeigen Halsringe, Armreifen, Fingerringe, Fibeln, Broschen, Perlenketten und Gürtelschnallen. Mancher Halsring aus massivem Edelmetall wog über ein Kilogramm – zugleich Wertaufbewahrung und Zahlungsmittel.
Männer trugen häufig Armreifen und Ringe, Frauen kunstvoll gearbeitete Fibeln und Gewandspangen (z. B. ovale Schalenfibeln). Dazwischen hingen oft Perlenketten aus Glas, Bernstein, Karneol oder Silber.
Auch der Gürtel war wichtig: meist Leder mit verzierten Metallschnallen oder geschnitzten Knochenspitzen. Daran hingen Messer, Schlüssel, kleine Taschen, Werkzeuge.
Stilistisch prägen Tierornamente und verschlungene Muster (Oseberg-, Borre-, Jelling-, Mammen-, Ringerike-, Urnes-Stil). Motive wie Drachen, Schlangen, Greifvögel, Tierköpfe standen für Stärke, Schutz, göttliche Macht.
Silber war das wichtigste Edelmetall der Zeit, häufig eingeschmolzen und neu geformt (Münzen, Barren, erbeuteter Schmuck). Hacksilber diente mancherorts als Zahlungsmittel.
Schmuck war auch Amulett und Schutzsymbol – besonders verbreitet: Thorshammer (Mjölnir) als heidnisches Gegenstück zum christlichen Kreuz.
Nahrung der Wikinger – Ernährung, Vorräte, Küche
Die Wikinger ernährten sich vielfältig und nahrhaft, was sich im kräftigen Körperbau widerspiegelte.
Auf dem Speiseplan standen Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Huhn, Wild sowie Fisch und Meeresfrüchte. Fleisch wurde gepökelt, getrocknet, geräuchert, um Vorräte zu sichern.
Aus Milch gewann man Käse, Butter, Buttermilch, Dickmilch; Eier stammten von Hühnern und Wildvögeln.
Bei Getreide dominierten Hafer, Gerste, später auch Roggen. Daraus entstanden Brote, Fladen, Grützen. Das Mahlen auf Handmühlen führte zu Zahnabrieb durch Steinpartikel.
Gemüse wie Erbsen, Bohnen, Kohl, Zwiebeln, Kresse und Früchte/Nüsse (z. B. Äpfel, Pflaumen, Brombeeren, Himbeeren, Walderdbeeren, Schlehen, Holunderbeeren, Haselnüsse) ergänzten die Ernährung.
Salz war unentbehrlich (Konservierung), Honig diente als Süße und Grundlage für Met. Getrunken wurde Wasser, Milch, Säfte sowie Bier (Gerste, gewürzt mit Hopfen oder Porst) und Bjórr (mutmaßlich Apfelwein). Traubenwein war Importware für Reiche.
Gekocht wurde in Töpfen aus Ton/Metall und Pfannen, gebacken in Öfen, oft über offenem Feuer. Bekannt ist auch das Garen in Erdgruben (z. B. Hólusteik in Island) mit heißen Steinen und Grassoden.
In Summe war die Ernährung reichhaltig, natürlich und klimaangepasst – ein Mix aus Selbstversorgung, Jagd, Fischfang, Handel.
Salz – Herstellung, Handel, Konservierung
Salz war zentral – als Würze und vor allem zur Konservierung von Fleisch und Fisch (Vorrat, Seefahrten, Winter).
Gewonnen wurde es durch Salzsieden: Seewasser in flachen Pfannen verdunsten lassen, bis kristallines Salz zurückblieb. Funde belegen Pfannen und Feuerstellen in mehreren Küstenregionen; der Prozess brauchte viel Brennmaterial.
Daneben bezog man Salz über den Handel (u. a. Frankenreich, Nordseeküste); gehandelt teils als Barren/Blöcke. Salz war kostbar und konnte als Tausch-/Zahlungsmittel dienen.
Krankheiten – Gesundheit, Hygiene, Befunde
Das Leben im Norden war hart, Krankheiten und Verletzungen waren ständige Begleiter. Gräberfelder (z. B. Kristianstad) zeigen hohe Kindersterblichkeit und wenige Menschen, die 60+ erreichten; Eisenmangel war häufig.
Die Zähne vieler Menschen waren in schlechtem Zustand (Karies, Zahnverlust). Häufig sind Brüche, ausgekugelte Gelenke, Abnutzungen (v. a. Knie/Hüfte), Arthrose – besonders bei Frauen durch lebenslange Arbeit.
Nachweise betreffen u. a. Lepra (teilweise gesonderte Bestattungen), Tuberkulose (z. B. in Lund), sowie vielfältige weitere Leiden.
Weitere Krankheiten (Auswahl):
- Knochen- und Gelenkerkrankungen, Rachitis, Osteoporose, Osteomyelitis, Periostitis tibiae
- Wirbelsäulenleiden (z. B. Morbus Paget, Morbus Forestier, Wirbelsäulen-Tuberkulose), Gicht, Arthrose
- Zahnerkrankungen, Geschwülste, Krebs, Anämie
- Lepra, Hinweise auf Multiple Sklerose und Herzkrankheiten (genetische Befunde)
- Nasennebenhöhlenentzündungen, Morbus Dupuytren
- Parasitenbefall (z. B. Trichuris trichiura, Ascaris)
Die Hygiene war v. a. in größeren Siedlungen problematisch (geringer Abstand zwischen Abfallgruben und Brunnen). Zeitgenössische Berichte sind teils von Vorurteilen geprägt.
Heilkunst und Kräuterwissen – Salben, Pflanzen, Rituale
Heilkunde verband praktisches Wissen mit Ritualen. Heiler (læknir) und weise Frauen nutzten Kräuter, Salben, Umschläge und Dämpfe.
- Schafgarbe (blutstillend), Spitzwegerich (Wundheilung), Engelwurz (stärkend), Wacholder (desinfizierend), Birke (harntreibend), Weidenrinde (schmerzlindernd), Thymian/Isländisch Moos (Hals/Brust), Leinsamen (Umschläge)
- Honig als Wundschutz; Teer und Harze als Salbengrundlagen
- Bäder, Schwitzhütten, Dampf gegen Erkältungen/Schmerzen; dazu Beschwörungen (galdr), Amulette, Runenzeichen als spirituelle Stütze
Tiere im Leben der Wikinger – Nutzen, Jagd, Symbolik
Tiere prägten Alltag und Vorstellungskraft:
- Nutztiere: Rinder (Milch, Zugkraft), Schafe/Ziegen (Wolle, Milch), Schweine (Fleisch), Hühner (Eier), Pferde (Transport, Status), Hunde (Herdenschutz/Jagd), Katzen (Schutz vor Nagern)
- Jagd & Fischfang: Hirsch, Elch, Wildschwein, Seevögel; Küsten-, Fluss- und Seefischerei, Muscheln
- Symbolik: Raben (Odins Boten), Wölfe, Bären (Kraft/Gefahr), Eber (Fruchtbarkeit, Freyr), Katzen (Freyja), Pferde (Rang, heilige Tiere). Tiere erscheinen auf Schmuck, Waffen, Runensteinen als Zeichen von Schutz, Macht, Zugehörigkeit.
Fazit
Alltag im Norden bedeutete Arbeit, Planung, Zusammenhalt: Häuser als multifunktionale Lebensräume, Kleidung als Schutz und Status, Schmuck als Rang und Glaube. Ernährung, Salz und Konservierung sicherten Vorräte; Krankheiten wurden durch Heilkunst und Kräuterwissen gemildert. Tiere waren Nahrung, Helfer und Symbole. So entstand eine Lebensweise, die Pragmatismus und Schönheit, Härte und Gemeinschaft verband.