Glaube, Mythologie und Weltbild
Die Götterwelt der Wikinger – Odin, Thor, Freyja & Co.
Die Wikinger verehrten zwei große Göttergruppen: die Asen und die Wanen. Aus ihrem Nebeneinander – Krieg und Weisheit hier, Fruchtbarkeit und Frieden dort – entstand ein vielschichtiges Pantheon.
- Odin: Gott der Weisheit, Dichtung, Ekstase und des Krieges. Er opferte ein Auge für Erkenntnis, hängt an der Weltesche, beherrscht Runen und Zauber. Raben (Hugin, Munin) und Wölfe begleiten ihn; er empfängt die Gefallenen in Walhall.
- Thor: Beschützer von Menschen und Göttern. Sein Hammer Mjölnir schleudert Donner, zerschmettert Riesen und weiht Bündnisse. Er steht für Kraft, Schutz und Ordnung.
- Freyja (Wanen): Göttin der Liebe, Fruchtbarkeit und des Zaubers (seiðr). Sie teilt die Gefallenen mit Odin (Fólkvangr) und fährt im Wagen der Katzen.
- Freyr (Wanen): Frieden, Wohlstand, gute Jahre; Eber- und Schiffssymbolik gehören zu ihm.
- Týr: Recht und Schwur, der Mutige, der dem Fenriswolf die Hand opfert.
- Frigg: Herrin des Hauses, Ehe, Fürsorge, Weitblick.
- Baldr: Licht und Reinheit; sein Tod gilt als Vorzeichen des Untergangs.
- Loki: trickreich, wandlungsfähig – Grenzgänger zwischen Hilfe und Verrat.
- Heimdall: Wächter der Götterbrücke, mit scharfem Blick und Hörvermögen.
- Njörd, Skaði, Idun, Hel und andere ergänzen das Gefüge. Dazu treten Walküren (Wahl der Gefallenen) und Norn(en), die Schicksalsfäden spinnen.
Mythologie und Schöpfung – Yggdrasil, die Welten und Ragnarök
Am Anfang liegt Ginnungagap, der gähnende Abgrund, zwischen Eis (Niflheim) und Feuer (Muspelheim). Aus ihrem Aufeinandertreffen entsteht Ymir, der Urriese; aus seinem Leib formen die Götter Welt und Himmel.
Die Welt ruht an der Weltesche Yggdrasil, deren Wurzeln die Reiche verbinden. Neun Welten umspannen das Gefüge – darunter Asgard (Götter), Midgard (Menschen), Jötunheim (Riesen), Hel (Totenreich). Norn(en) bestimmen Schicksal; Quellen nähren die Wurzeln, Wesen nagen, heilen, stören – die Ordnung muss ständig gewahrt werden.
Am Ende steht Ragnarök: Fesseln reißen, Fenrir, Jörmungandr, Surtr und das Totenheer treten an. Götter fallen, die Welt brennt und sinkt – und erneuert sich. Überlebende Menschen (Líf und Lífthrasir) bevölkern einen geläuterten Kosmos. Das Weltbild kennt also Krise, Untergang und Neubeginn.
Feste und Rituale – Blót, Jul und Jahreslauf
Religion war Alltag: Haus, Hof, Thing, Reise – alles stand unter göttlichem Schutz.
- Blót: Opfer- und Dankfeste für Götter, Ahnen und Naturmächte. Tiere (zuweilen auch andere Gaben) wurden geweiht; das Blut diente ritueller Weihe und Segnung, das Fleisch dem gemeinschaftlichen Mahl.
- Julfest (Mittwinter): Wendepunkt des Lichts, Beginn neuer Fristen; Trankopfer (minni) auf Götter, Ahnen und König.
- Dísablót, Álfablót u. a.: Feste für Schutzgeister und Ahninnen; regional verschieden.
- Seiðr & galdr: Ritualzauber und Gesang; die völva (Seherin) weissagt mit Stab, Gesang, Räucherwerk. Geweiht wurde am Hörgr (Steinaltar) oder im Hof (Kulthaus); Eid- und Armringe bekräftigten Schwüre. Religion war sozial – sie band Gemeinschaft, Recht und Jahreszeiten.
Bestattungsbräuche – Schiffe, Feuer, Jenseits
Bestattungen spiegeln Rang und Hoffnung:
- Brand- und Körperbestattungen nebeneinander; Hügel (Tumulus), Kammergräber, Boots- und Schiffsgräber.
- Grabbeigaben (Waffen, Schmuck, Werkzeuge, Tiere) zeichnen Rolle und Status; die Reise ins Jenseits sollte ausgestattet sein.
- Berühmte Schiffsgräber (Oseberg, Gokstad) zeigen Pracht und Kunstfertigkeit. Vorstellungen vom Danach waren plural: Walhall (Gefallene bei Odin), Fólkvangr (Freyja), Hel (Totenreich), Grabhügel als Wohnsitz der Ahnen. Leitmotive: Reise, Fortbestand, Erinnerung – das Grab als Schnittstelle zwischen den Welten.
Heidnische Symbole und Amulette – Hammer, Runen, Zeichen
Symbole trugen Schutz, Zugehörigkeit, Identität:
- Mjölnir-Amulette als Zeichen Thors – Weihe, Schutz, Fruchtbarkeit; massenhaft gefunden, oft aus Silber oder Bronze.
- Runen (Jüngeres Futhark): Schrift und Zeichenkraft. Inschriften auf Stein, Holz, Metall; zugleich Gedenken, Besitz, Magie.
- Valknut, Sonnen- und Tierzeichen (Rabe, Wolf, Eber, Pferd) erscheinen auf Steinen und Schmuck; Bedeutungen können regional und kontextuell variieren. Symbole wurden getragen, geritzt, geweiht – sie verbanden Glauben, Alltag und Kunst.
Der Weg zum Christentum – Mission, Konflikt, Doppelbilder
Ab dem 10. Jahrhundert gewann das Christentum an Boden. Dänemark (Harald Blauzahn) bekennt sich im späten 10. Jh.; Norwegen wird durch Óláfr Tryggvason und Óláfr Haraldsson (St. Olav) geprägt; Island entscheidet am Althing um 999/1000 für die Annahme der neuen Religion bei Fortbestand mancher Privatbräuche; Schweden folgt schrittweise.
Der Übergang war kein Bruch, sondern Aushandlung: heidnische Sitten verschwinden langsam, Doppelsymbole treten auf – Thorshammer und Kreuz nebeneinander; Jul geht im Weihnachtsfest auf. Tempel weichen Kirchen, doch Orte und Feste behalten oft ihr Zeitmaß. Aus Rivalität wird Schichtung: das alte Weltbild verblasst, lebt aber in Sagas, Bräuchen und Symbolen fort.
Fazit
Der Glaube der Wikinger war geerdet und weitblickend: Er ehrte Ahnen, Jahreszeiten und Götter, hielt Ordnung in einer unruhigen Welt und gab Sinn für Leben und Tod. Zwischen Asen und Wanen, Yggdrasil und Ragnarök fanden die Menschen ihren Platz – und trugen ihre Zeichen auf Haut, Metall und Stein. Der Weg zum Christentum veränderte Formen und Worte, doch der Rhythmus aus Gemeinschaft, Schwur und Erinnerung blieb – und prägt das Nordland bis heute.