| Wikinger |
Der Name Wikinger stammt vermutlich vom altnordischen Wort „víkingr“, das so viel wie Seefahrer auf einer Unternehmung oder Krieger auf Beutezug bedeutet. Die genaue Herkunft des Begriffs ist jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt. Eine verbreitete Deutung leitet ihn vom Wort „vík“ ab, das Bucht oder Einbuchtung der Küste bedeutet. Nach dieser Vorstellung wären Wikinger also „die Männer aus der Bucht“ – passend zu der Tatsache, dass ihre Schiffe oft in geschützten Buchten lagen, um Handelszüge oder Überfälle vorzubereiten. Andere Forscher sehen in „víking“ ursprünglich eine Bezeichnung für eine Reise oder Fahrt auf See, also weniger für eine bestimmte Volksgruppe, sondern für eine Tätigkeit. So wäre „auf Víking gehen“ gleichbedeutend mit „auf Seezug gehen“. Es gibt zudem geografische Bezüge, etwa zur norwegischen Ortschaft Vik in Sogn, von der manche meinen, der Begriff könne seinen Ursprung haben. Die Menschen, die wir heute „Wikinger“ nennen, bezeichneten sich selbst allerdings kaum so. Zeitgenössische Quellen sprechen eher von „Nordmännern“ (altnordisch norrœnir menn), also „den Leuten aus dem Norden“. Der Ausdruck Wikinger setzte sich erst in späteren Jahrhunderten durch – teils als Sammelbegriff für alle skandinavischen Seefahrer der Wikingerzeit. So bleibt die wahre Herkunft des Wortes ebenso geheimnisvoll wie die Seefahrer selbst.
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Schiffe |
Die Schiffe der Wikinger waren wahre Meisterwerke nordischer Handwerkskunst. Vor allem die Kriegsschiffe, die sogenannten Langschiffe, zeichneten sich durch ihre lange, schmale Form und den hohen, oft kunstvoll verzierten Bug aus. Dort brachten die Wikinger furchterregende Figuren an – meist in Form von Drachen- oder Schlangenhäuptern –, die Feinde einschüchtern und böse Geister vertreiben sollten. Diese Schiffe waren leicht, schnell und wendig, konnten dank ihres geringen Tiefgangs sowohl auf hoher See als auch in Flüssen oder nahe der Küste fahren. Sie ließen sich mit Segeln oder Ruderkräften bewegen, was sie zu idealen Fahrzeugen für Handel, Erkundung und Krieg machte. Einen Kompass kannten die Wikinger noch nicht. Stattdessen orientierten sie sich an Sonne, Mond, Sternen und den Zugvögeln. Auch die Farbe des Wassers, der Geruch der Luft und das Verhalten der Wellen gaben ihnen Hinweise auf Nähe zu Land. Ihre Fähigkeiten beruhten auf einer jahrhundertelang verfeinerten Erfahrung in der Navigation, die sie zu den besten Seefahrern ihrer Zeit machte. |
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Knorr |
Die Knorr – altnordisch knǫrr – war das typische Handels- und Frachtschiff der Wikingerzeit. Im Gegensatz zu den schmalen, schnellen Langschiffen der Krieger war die Knorr breiter, runder und tiefer gebaut, um große Lasten transportieren zu können. Sie maß in der Regel etwa 20 bis 25 Meter in der Länge und 4 bis 5 Meter in der Breite. Mit ihrem einzigen Mast und einem rechteckigen Segel aus Wolle erreichte sie erstaunliche Geschwindigkeiten und konnte dennoch hohe Stabilität auf offener See halten. Eine gut gebaute Knorr konnte bis zu 12 Tonnen Ladung befördern – manche Funde und Schätzungen gehen sogar von 30 bis 40 Tonnen aus. Damit eignete sie sich hervorragend für den Fernhandel zwischen Skandinavien, den britischen Inseln, Island, Grönland und sogar Nordamerika. Die Besatzung bestand meist nur aus 6 bis 12 Mann, da das Schiff überwiegend gesegelt wurde und nur wenige Ruderplätze besaß. Dank ihres robusten Rumpfs und des hohen Freibords bot die Knorr den Seeleuten guten Schutz vor Wind und Wellen – ein entscheidender Vorteil auf langen, oft gefährlichen Überfahrten über den Nordatlantik. So war die Knorr das Rückgrat des Wikingerhandels, der Bernstein, Pelze, Eisen und Sklaven gegen Silber, Gewürze, Wein und Stoffe eintauschte – und sie spielte damit eine zentrale Rolle in der wirtschaftlichen Blüte des Nordens. |
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Langschiff/ Kriegsschiff |
Das Langschiff – auch Langskip genannt – war das berühmte Kriegsschiff der Wikinger. Es war schmal, lang und leicht gebaut, um hohe Geschwindigkeiten zu erreichen und gleichzeitig in seichten Gewässern manövrieren zu können. Ein typisches Langschiff konnte 30 bis 40 Meter lang sein und wurde von 20 bis 40 Ruderern angetrieben. Bei gutem Wind kam zusätzlich ein Segel aus Wolltuch zum Einsatz, das mit Tierfett oder Harz imprägniert war. Der Rumpf aus Eichenholz war in der sogenannten Klinkerbauweise gefertigt – die Planken überlappten sich leicht und wurden mit Eisennieten verbunden, was dem Schiff zugleich Flexibilität und Stabilität verlieh. Die Langschiffe besaßen einen flachen Kiel, der Landungen direkt am Strand ermöglichte. Damit konnten die Wikinger überraschend an fremden Küsten anlanden, ihre Beutezüge ausführen und rasch wieder verschwinden. Am Bug prangten häufig kunstvoll geschnitzte Drachen- oder Schlangenfiguren, die den Feind einschüchtern und böse Geister fernhalten sollten. Daher rührt auch der moderne Name „Drachenboot“. Das Langschiff war Symbol und Werkzeug der Macht zugleich – es brachte die Wikinger in alle Himmelsrichtungen: nach England, Irland, Frankreich, Russland, Byzanz und bis ans Kaspische Meer. |
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| auf Víking gehen |
Der Ausdruck „auf Víking gehen“ (altnordisch fara í víking) bedeutete in der Wikingerzeit, sich auf eine Seeunternehmung zu begeben – meist, um Beute zu machen, zu handeln oder neues Land zu erkunden. Es war also keine Volksbezeichnung, sondern eine Tätigkeitsbeschreibung. Ein víkingr war demnach ein Mann, der auf See zog, nicht unbedingt ein Räuber, sondern allgemein ein Seefahrer auf Unternehmung. In dieser frühen Bedeutung lag oft auch Stolz und Ehre: Wer „auf Víking“ ging, suchte Ruhm, Reichtum und Abenteuer. Der Begriff víking selbst bezeichnete ursprünglich die Fahrt oder das Unternehmen. Erst später wurde daraus der Ausdruck für die Menschen, die solche Fahrten unternahmen. Für viele junge Nordmänner war „auf Víking gehen“ ein Übergangsritus – der Schritt vom einfachen Bauern oder Handwerker zum Krieger, Händler oder Entdecker. Die Grenzen zwischen Handelsfahrt, Söldnerdienst und Raubzug waren dabei fließend. Oft entschied erst der Ausgang der Reise, ob man als Held oder als Räuber galt. In späteren christlichen Quellen bekam das Wort Wikinger zunehmend einen negativen Klang, doch ursprünglich stand es für Mut, Unternehmungslust und Seefahrergeist – Eigenschaften, die das Zeitalter der Wikinger prägten. |
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| Sprache |
Die Sprache der Wikinger war das Altnordische (norrœnt mál), eine nordgermanische Sprache, die in Skandinavien und in den von den Wikingern besiedelten Gebieten gesprochen wurde. Sie war eng verwandt mit dem Altsächsischenund Altenglischen, unterschied sich aber deutlich durch Lautbildung und Wortschatz. Das Altnordische wurde in mehrere Dialekte unterteilt – hauptsächlich in ein westnordisches (gesprochen in Norwegen, Island, auf den Färöern und in Grönland) und ein ostnordisches (in Dänemark und Schweden). Trotz regionaler Unterschiede konnten sich die Wikinger über große Entfernungen hinweg meist gut verständigen. Geschrieben wurde die Sprache mit den Runen der sogenannten Jüngeren Futhark, einem Alphabet aus nur 16 Zeichen. Diese Runen fanden sich auf Steinen, Waffen, Schmuckstücken und Gebrauchsgegenständen. Oft waren sie kurze Inschriften, Widmungen oder Erinnerungen an Verstorbene. Die Edda-Dichtungen und Sagas, die später in Island aufgezeichnet wurden, bewahren bis heute die Poesie und Ausdruckskraft dieser Sprache. Das Altnordische war bildreich, melodisch und präzise, voller Metaphern und Umschreibungen – sogenannte Kenningar –, wie etwa „Wellenross“ für Schiff oder „Schwanenweg“ für das Meer. Viele Wörter aus dem Altnordischen leben bis heute fort – etwa im Englischen, Isländischen und Skandinavischen. Worte wie sky, window, knife, husband oder egg stammen direkt aus der Sprache der Wikinger. So war das Altnordische nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern auch Träger einer ganzen Welt von Mythen, Gesängen und Heldenliedern, die das Denken und Handeln der Nordmänner prägten. |
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| Das Salz |
Das Salz war für die Wikinger von großer Bedeutung – nicht nur als Würzmittel, sondern vor allem zur Konservierung von Lebensmitteln. In Zeiten ohne Kühlung war es unentbehrlich, um Fleisch und Fisch haltbar zu machen, besonders für die langen Seefahrten oder den Wintervorrat. Die Wikinger gewannen Salz auf einfache, aber wirkungsvolle Weise: Sie erhitzten Seewasser in flachen Pfannen aus Ton oder Metall und ließen es langsam verdunsten, bis kristallines Salz zurückblieb. Diese Technik wird Salzsiedengenannt und war in vielen Küstenregionen Skandinaviens verbreitet. An manchen Orten, etwa in Dänemark, Südschweden und entlang der norwegischen Küsten, fand man Spuren alter Salzpfannen und Feuerstellen, die darauf hinweisen, dass Salz dort systematisch gewonnen wurde. Das Verfahren erforderte viel Brennmaterial, weshalb salzreiche Gebiete häufig mit Holzvorräten verbunden waren. Neben der eigenen Produktion bezogen die Wikinger Salz auch über den Handel – insbesondere aus dem Frankenreichoder von der Nordseeküste, wo größere Salzsiedereien existierten. Dort war das Salz oft reiner und wurde in Barren oder Blöcken gehandelt. Salz war ein kostbares Gut und galt in manchen Regionen als Tausch- und Zahlungsmittel. In der Vorratshaltung spielte es eine zentrale Rolle: Gesalzene Heringe, Dorsche oder Schweinefleisch konnten monatelang gelagert und auf langen Fahrten verzehrt werden. So war Salz nicht nur eine alltägliche Zutat, sondern auch ein Symbol für Wohlstand, Vorrat und Überleben – ein stiller, aber unverzichtbarer Begleiter auf den Wegen der Nordmänner. |
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| Kleidung |
In erster Linie war den Wikingern wichtig, dass ihre Kleidung bequem war und warm hielt. In den rauen nordischen Klimazonen, wo der Winter lang und kalt sein konnte, trugen sie ihre Kleidung in mehreren Schichten übereinander, um sich je nach Witterung anpassen zu können. Zwischen Arm und Reich gab es keine großen Unterschiede in der Form der Kleidung, wohl aber in der Qualität der Stoffe und Verzierungen. Wohlhabende Wikinger trugen fein gewebte Stoffe aus importierten Materialien und schmückten sich mit Borten, Stickereien oder eingewebten Silber- und Goldfäden. Die Männer trugen im Winter lange Hosen oder Kniehosen, darüber eine Tunika und meist einen Umhang, der mit einer Fibel oder Spange auf der Schulter befestigt wurde. Frauen trugen ein Unterkleid aus Leinen und darüber ein Schürzenkleid oder eine Über-Tunika, die mit kunstvoll gearbeiteten Spangen zusammengehalten wurde. Als Kopfbedeckung dienten Stirnbänder oder Hauben aus Leinen, während Männer oft Wollmützen trugen, manchmal mit Pelz besetzt. Männer wie Frauen wärmten sich mit Umhängen oder Mänteln, die aus schwerer Wolle gefertigt waren. Schuhe bestanden meist aus Ziegenleder, mit hölzernen Sohlen oder verstärkten Lederböden. Männer trugen häufig Stiefel, die bis zum Knöchel oder sogar bis zur Wade reichten. Typisch für Wikingerstoffe war Wolle oder dicht gewebtes Leinen aus Flachs. In die Stoffe webten die Nordmänner karierte, geometrische oder tierische Muster, und sie färbten ihre Kleidung mit pflanzlichen Farbstoffen in Tönen von Braun, Rot, Blau oder Grün. Die Kleidung variierte regional stark. In Gräbern aus Dänemark und Schonen (Südschweden) fand man auch Stoffe, die an fränkische oder byzantinische Moden erinnerten – fein gearbeitet, mit Gold- oder Silberfäden verziert. Frauen trugen Perlenketten, Männer und Frauen Armreifen oder Fibeln, die je nach Region unterschiedlich gestaltet waren. Nach den archäologischen Funden und Berichten aus der Zeit waren die Wikinger sehr gepflegt. In vielen Gräbern fand man Kämme, Pinzetten und Rasiermesser. Der arabische Reisende Ibrahim ibn Ya‘qub berichtete um 965 aus Haithabu, dass Männer und Frauen Augenschminke benutzten. Ein englischer Chronist schrieb, die Nordmänner hätten sich samstags gebadet, das Haar gepflegt und sich gut gekleidet, um Eindruck bei den englischen Frauen zu machen. Das Nackenhaar war oft kurz geschoren, während das Stirnhaar lang getragen wurde – ein damals modischer Gegensatz, der sie von anderen Völkern unterschied. Natürlich galt diese Gepflegtheit nicht in gleichem Maß für Landlose oder Knechte, doch insgesamt zeigen die Funde, dass Körperpflege und Erscheinung im Alltag der Wikinger eine wichtige Rolle spielten. |
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| Die Menschen |
Archäologische Funde und Gräber geben ein eindrucksvolles Bild von den Menschen der Wikingerzeit. Die Skelette zeigen, dass die Wikinger ein hartes, körperlich anstrengendes Leben führten – in einer Umwelt, die ihnen viel abverlangte, aber auch große Stärke formte. Das durchschnittliche Sterbealter lag bei etwa 41 Jahren für Männer und 51 Jahren für Frauen. Viele starben früh an Verletzungen, Infektionen oder den Folgen von Mangelernährung und Entbehrung, doch es gab auch Menschen, die deutlich älter wurden. Die Knochenfunde weisen auf eine kräftige Statur und ausgeprägte Muskulatur hin, besonders an Armen und Schultern – ein Zeichen für schwere körperliche Arbeit, etwa beim Rudern, Schmieden oder Feldbau. Die durchschnittliche Körpergröße lag bei Frauen um 161 Zentimeter, bei Männern bei etwa 174 Zentimetern – also vergleichbar mit der Körpergröße vieler Menschen in Mitteleuropa jener Zeit. Einzelne Skelette zeigen Größen von bis zu 185 Zentimetern, meist aus wohlhabenderen Schichten, was vermutlich auf bessere Ernährung und gesundere Lebensbedingungen zurückzuführen ist. Trotz der harten Lebensumstände zeugen viele Funde davon, dass die Wikinger Wert auf Pflege und Erscheinunglegten. Kämme, Pinzetten und Rasiermesser gehörten zur Grundausstattung; manche Gräber enthalten sogar parfümierte Öle oder Salben. Die Gesichter der Wikinger werden in den Quellen als hellhäutig, oft mit rötlichem oder blondem Haar beschrieben, doch genetische Analysen zeigen, dass es auch dunklere Typen gab – ein Hinweis auf durchmischte Herkunft durch Handel, Eroberung und Heirat. Insgesamt zeigen die Spuren aus Gräbern und Siedlungen ein Volk, das zäh, widerstandsfähig und anpassungsfähigwar – Menschen, die in enger Gemeinschaft lebten, mit einem tiefen Sinn für Familie, Ehre und Überleben. |
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| Ernährung |
Die Wikinger ernährten sich erstaunlich vielseitig und nahrhaft, was sich auch in ihrem kräftigen Körperbau widerspiegelt: Männer erreichten im Durchschnitt etwa 173 Zentimeter Körpergröße, ein Zeichen für gute und ausgewogene Ernährung. Die Menschen der Eisen- und Wikingerzeit aßen Fleisch von Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Huhn und Wild, aber auch Fisch und Meeresfrüchte standen häufig auf dem Speiseplan. Damit die Vorräte lange hielten, wurde das Fleisch gepökelt, getrocknet oder geräuchert. Aus Milch stellten die Wikinger Käse, Butter, Buttermilch und Dickmilch her. Eier stammten von Hühnern oder von Wildvögeln. An Getreide bauten sie zunächst Hafer und Gerste an; in der Wikingerzeit kam durch den Handel mit slawischen Gebieten auch Roggen hinzu. Daraus wurden Brote, Fladen oder Grützen zubereitet. Das Korn wurde in Handmühlengemahlen – durch den Steinabrieb gelangten winzige Partikel ins Mehl, die mit der Zeit die Zähne stark abnutzten. Als Gemüse dienten Erbsen, Bohnen, Kohl, Zwiebeln und Kresse. Ergänzt wurde die Ernährung durch Früchte und Nüsse aus Wald und Feld: Äpfel, Pflaumen, Brombeeren, Himbeeren, Walderdbeeren, Schlehen, Holunderbeerenund Haselnüsse. Diese wurden roh gegessen, gekocht oder zu Grützen und Suppen verarbeitet. Salz war unentbehrlich und wurde durch Sieden von Meerwasser gewonnen oder importiert. Zum Süßen nutzte man Honig, der zugleich Grundlage für den beliebten Met war – ein Getränk aus Honig, Wasser und Gewürzkräutern. Getrunken wurde Wasser, Milch, Frucht- und Beerensäfte sowie Bier, das aus Gerste gebraut und mit Hopfen oder Porst (einer Sumpfpflanze) gewürzt wurde. Ein weiteres Getränk war Bjórr, vermutlich ein stark vergorener Apfelwein. Traubenwein wurde aus südlicheren Ländern importiert und blieb den Reichen vorbehalten. Zum Kochen und Backen nutzte man Töpfe aus Ton oder Metall, Pfannen und Backöfen, oft über offenem Feuer. Fleisch wurde gebraten, gekocht oder in Erdgruben gegart – eine Methode, die in Island als Hólusteik bekannt blieb. Dabei legte man das Fleisch zwischen heiße Steine, wickelte es in Blätter, bedeckte es mit Grassoden und ließ es stundenlang garen – eine einfache, aber wirkungsvolle Technik. Die Ernährung der Wikinger war somit reichhaltig, natürlich und an das raue Klima angepasst. Sie verband Selbstversorgung, Jagd, Fischfang und Handel – und zeigte, dass die Menschen des Nordens nicht nur tapfere Seefahrer, sondern auch geschickte Köche und kluge Vorratsplaner waren. |
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| Krankheiten |
Auch wenn die Wikinger in den Sagas oft als starke, furchtlose Krieger erscheinen, zeigen archäologische Funde ein anderes, realistischeres Bild: Das Leben im Norden war hart, und Krankheiten und Verletzungen waren ständige Begleiter. Ein besonders aufschlussreicher Fund stammt aus Kristianstad in Schonen (Südschweden). Dort wurde ein Gräberfeld mit 128 Individuen aus der späten Wikingerzeit untersucht. Von diesen starben 79 Menschen bereits im ersten Lebensjahr, und nur etwa 10 % erreichten ein Alter von 60 Jahren oder mehr. Viele der Toten litten an Eisenmangel, was auf Mangelernährung oder Parasitenbefall schließen lässt. Die Zähne der meisten Menschen waren in schlechtem Zustand – Karies und Zahnverlust waren weit verbreitet. Ältere Menschen besaßen oft nur noch ein Drittel ihres Gebisses. An vielen Skeletten fanden sich Brüche, ausgekugelte Gelenke und schwere Abnutzungsspuren, besonders an Knie- und Hüftgelenken. Arthrose war die häufigste Krankheit, vor allem bei älteren Frauen, die ihr Leben lang schwere körperliche Arbeit verrichteten. An den Rändern des Gräberfeldes von Kristianstad entdeckte man zudem Skelette mit Spuren von Lepra – ein Hinweis darauf, dass ansteckend Erkrankte möglicherweise aus der Gemeinschaft ausgeschlossen oder gesondert bestattet wurden. Auch auf dem ältesten christlichen Friedhof von Lund fanden Forscher eindeutige Spuren von Lepraund Tuberkulose. Neben diesen Befunden konnten die Archäologen in Wikingergräbern und durch Analysen von Exkrementen zahlreiche weitere Krankheiten nachweisen, darunter:
Zu den sonstigen festgestellten Leiden zählen:
Die Hygienebedingungen waren besonders in größeren Siedlungen problematisch. Zwischen Abfallgruben und Trinkwasserbrunnen lag oft nur ein geringer Abstand, sodass Keime leicht übertragen wurden. Funde aus Yorkzeigen, dass Abwasser häufig mit Brauchwasser vermischt war. Auch zeitgenössische Beobachter berichten über die Hygiene der Nordmänner. Der arabische Reisende Ibn Fadlanschilderte um 920 n. Chr. die „Rus an der Wolga“ als ein Volk, das sich selten wusch und in hygienischen Fragen wenig sorgte – doch solche Beschreibungen spiegeln wohl auch kulturelle Unterschiede und Vorurteile wider. Trotz dieser Krankheiten waren die Wikinger widerstandsfähige Menschen, die unter rauen Bedingungen überlebten. Ihre medizinischen Kenntnisse waren begrenzt, doch sie nutzten Heilkräuter, Salben und Rituale, um Leiden zu lindern. Man kann sagen: Sie waren nicht unverwundbar – aber zäh. |
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| Der Schmuck |
Der Schmuck der Wikinger war weit mehr als bloße Zierde – er war Zeichen von Reichtum, Rang und Identität. Gold, Silber und Bronze galten als sichtbare Symbole von Macht und Ansehen, und wer es sich leisten konnte, zeigte seinen Wohlstand offen. Archäologische Funde belegen eine große Vielfalt an Schmuckstücken: Halsringe, Armreifen, Fingerringe, Fibeln, Broschen, Perlenketten und Gürtelschnallen. Manche Halsringe aus massivem Silber oder Gold wogen über ein Kilogramm – sie waren nicht nur Schmuck, sondern auch Wertaufbewahrung und Zahlungsmittel zugleich. Männer trugen meist Armreifen und Ringe, Frauen hingegen kunstvoll gearbeitete Fibeln und Gewandspangen, mit denen sie ihre Schürzenkleider befestigten. Besonders bekannt sind die ovalen Schalenfibeln, die paarweise an den Schultern getragen wurden und oft fein graviert oder vergoldet waren. Zwischen ihnen hing häufig eine oder mehrere Perlenketten, gefertigt aus Glas, Bernstein, Karneol oder Silber. Auch der Gürtel spielte eine wichtige Rolle. Er bestand meist aus Leder und war mit aufwendig verzierten Metallschnallen oder geschnitzten Knochenspitzen versehen. Daran hingen Messer, Schlüssel, kleine Taschen oder Werkzeuge – ein Symbol praktischer Bedeutung, aber zugleich Teil der persönlichen Zierde. Typisch für den Wikingerschmuck sind Tierornamente und verschlungene Muster, die in der nordischen Kunststilepoche (Oseberg-, Borre-, Jelling-, Mammen-, Ringerike- und Urnes-Stil) ihre charakteristische Form fanden. Drachen, Schlangen, Greifvögel und Tierköpfe symbolisierten Stärke, Schutz und göttliche Macht. Silber war das wichtigste Edelmetall der Wikingerzeit. Es wurde oft eingeschmolzen und neu geformt – aus Münzen, Barren oder erbeutetem Schmuck. In manchen Regionen diente Hacksilber – zerkleinerte Silberstücke – als Zahlungsmittel, das man nach Gewicht handelte. Der Schmuck war nicht nur Zierde, sondern auch Amulett und Schutzsymbol. Besonders verbreitet war das Thorshammer-Amulett (Mjölnir), das die Kraft des Donnergottes symbolisierte und den Träger vor Unheil schützen sollte. Es galt als heidnisches Gegenstück zum christlichen Kreuz, das zur gleichen Zeit im Norden Verbreitung fand. So spiegelte der Schmuck der Wikinger ihre Kunstfertigkeit, ihren Glauben und ihre gesellschaftliche Ordnung wider – glänzende Zeugnisse einer Kultur, die Schönheit und Stärke eng miteinander verband.
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Freie/Unfreie |
Die Gesellschaft der Wikinger war klar gegliedert und spiegelte sich auch in ihren Gräbern und Siedlungsfundenwider. Sie beruhte auf einem System von Rang, Herkunft und persönlicher Freiheit, das über Rechte, Besitz und Ansehen entschied. An der Spitze der Gesellschaft stand der Häuptling oder – in späterer Zeit – der König. Ihm folgten die Jarls, also der Adel und die Großgrundbesitzer, die über Ländereien, Schiffe und Gefolgsleute verfügten. Darunter standen die Freien(karlar oder bondi), die den größten Teil der Bevölkerung ausmachten. Ein freier Mann war rechtlich unabhängig und durfte Land besitzen, Waffen tragen, Handel treiben und auf dem Thing, der Volksversammlung, mitbestimmen. Viele freie Männer waren Bauern, andere Handwerker, Händler oder Krieger. Freiheit bedeutete zugleich Verantwortung: Ein Freier musste für seine Taten einstehen, Steuern entrichten und seinem Häuptling im Kriegsfall Gefolgschaft leisten. Am unteren Ende der sozialen Ordnung standen die Unfreien (þræll, Plural þrælar). Sie hatten keine eigenen Rechte und galten rechtlich als Besitz ihrer Herren. Viele waren Kriegsgefangene, die auf Raubzügen verschleppt und in den Norden gebracht wurden. Andere gerieten durch Schulden, Verbrechen oder Geburt in Unfreiheit. Die Unfreien verrichteten die schwersten körperlichen Arbeiten: Sie arbeiteten auf den Höfen, in Schmieden oder auf Schiffen und waren für die Versorgung ihrer Besitzer zuständig. In einigen Fällen konnten sie durch Freikauf oder Gunstihres Herrn wieder Freiheit erlangen – dann wurden sie zu sogenannten Freigelassenen (leysingi). Obwohl die Unfreien am unteren Rand der Gesellschaft standen, waren sie für die Wirtschaft des Nordens von großer Bedeutung. Ohne ihre Arbeit wäre der Wohlstand der freien Bauern und Krieger kaum möglich gewesen. So war die Welt der Wikinger klar in Rangstufen gegliedert – vom Häuptling bis zum Knecht –, doch innerhalb dieses Systems gab es auch Beweglichkeit. Tapferkeit, Reichtum oder die Gunst eines Mächtigen konnten das Leben eines Mannes verändern – von der Unfreiheit zur Freiheit, von der Gefolgschaft zur Macht. |
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Häuser |
Die Häuser der Wikinger waren schlichte, aber zweckmäßige Bauten – sie boten Schutz vor Wind, Kälte und Regen und bildeten das Zentrum des familiären Lebens. Ihr Aussehen erinnerte an langgestreckte Hallen oder an den Rumpf eines umgedrehten Bootes – ein Hinweis auf die seefahrerische Kultur der Nordleute. Solche Langhäuser konnten bis zu 50 Meter lang, aber nur etwa 5 Meter breit sein. In ihnen lebten Familie, Knechte und Tiere unter einem Dach. Ein Teil des Hauses war für das Wohnen und Schlafen bestimmt, der andere diente als Stall oder Vorratsraum. Nicht alle Häuser sahen gleich aus – sie wurden stets an Region und Klima angepasst. In waldreichen Gebieten Skandinaviens bestanden die Häuser meist aus Holz, das in Pfostenbauweise errichtet wurde. Doch dort, wo Holz knapp war – etwa auf den Shetland- und Orkneyinseln, in Island oder Grönland –, verwendete man Stein, Torf und Grassoden. Besonders in Island bestanden die Häuser oft aus dicken Torfwänden, die hervorragenden Wärmeschutz boten. Die Dächer waren mit Torf, Rasen oder Stroh gedeckt und reichten bis fast zum Boden hinab, um den Wind abzuhalten. Fenster gab es kaum – das Licht drang meist nur durch die Türöffnung oder eine kleine Rauchluke über der Feuerstelle. Das Herz des Hauses war der langgestreckte Hauptraum, in dem geschlafen, gearbeitet, gegessen und gekochtwurde. In der Mitte befand sich eine offene Feuerstelle, über der man das Essen zubereitete und die zugleich Wärme und Licht spendete. Der Rauch zog durch eine Öffnung im Dach ab, doch die Luft im Inneren war oft dunkel und verrußt. Die Einrichtung war einfach: Tische, Hocker, Truhen und Betten aus Holz bildeten die Grundausstattung. Das Koch- und Essgeschirr bestand aus Ton, Holz oder Eisen. In wohlhabenderen Haushalten kamen auch Bronzegefäße oder importierte Keramiken vor. In diesen Langhäusern spielte sich das gesamte Familienleben ab – hier wurde gekocht, gearbeitet, gesponnen, erzählt und gefeiert. Sie waren Wohnhaus, Werkstatt und Versammlungsort zugleich – der Mittelpunkt des täglichen Lebens in einer rauen, aber gemeinschaftlich geprägten Welt. |
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| Freizeit und Vergnügen |
Auch wenn man sie heute vor allem als Krieger und Seefahrer kennt, bestand das Leben der Wikinger nicht nur aus Kampf und Arbeit. Viele waren Bauern, Handwerker oder Händler, die nach getaner Arbeit auch Zeit für Geselligkeit, Spiel und Sport fanden. Am Abend traf man sich häufig in den Langhäusern oder Hallen zu Gelagen, bei denen gegessen, getrunken, musiziert und getanzt wurde. Dabei erzählte man sich Heldenepen, Sagen der Götter oder Geschichten von fernen Fahrten. Die Skalden, die Dichter und Sänger des Nordens, trugen ihre kunstvollen Verse vor und besangen Ruhm, Liebe, Verrat und Tapferkeit. Auch Narren und Spielleute sorgten für Unterhaltung. Neben Musik und Geschichten liebten die Wikinger körperliche Wettkämpfe. Ringkämpfe, Fechtübungen und Wettläufe gehörten zum Alltag, ebenso Bogenschießen oder das Werfen von Speeren und Äxten. Diese Übungen dienten nicht nur der Unterhaltung, sondern hielten die Männer auch für den Kampf in Form. Während der langen Wintermonate suchten die Nordmänner andere Vergnügungen. In Skandinavien war das Ski- und Schlittenfahren sehr beliebt – sowohl als Sport als auch als praktische Fortbewegung im Schnee. Man benutzte Kufen aus Holz, Knochen oder Rentiergeweih, um über Eis und gefrorene Flächen zu gleiten. Schon aus dem 8. Jahrhundert sind Ski-Funde aus Norwegen bekannt, und sogar der Gott Ullr galt in der Mythologie als Schigott. Ein weiteres beliebtes Freizeitvergnügen waren Brett- und Strategiespiele. Besonders geschätzt wurde das Spiel Hnefatafl, eine Art Vorläufer des Schachs. Das Wort tafl bedeutet „Tafel“ oder „Brett“. Es war ein Königsspiel, bei dem eine Figur – der König – mit seinen Verteidigern versuchte, aus der Umzingelung durch Angreifer zu entkommen. Die Figuren schnitzten die Wikinger aus Walrossstoßzähnen, Knochen oder Holz – viele prachtvolle Spielsteine wurden in Gräbern gefunden, unter anderem auf den Shetland-Inseln und in Norwegen. Daneben gab es Würfelspiele, Rätsel und Wettgesänge, bei denen man sich im Dichten maß. Auch Tierkämpfe, besonders mit Pferden oder Hunden, sind in den Sagas erwähnt – aus heutiger Sicht grausam, damals aber Ausdruck von Mut und Stärke. So zeigen die Quellen und Funde, dass die Wikinger trotz der Härte ihres Alltags das Feiern, Spielen und Erzählenliebten. In ihrer Freizeit suchten sie Gemeinschaft, Wettbewerb und Geschichten – und genau darin spiegelt sich ihr Wesen wider: tapfer, gesellig, stolz und lebensnah.
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| Götter |

